Zweiter Erfahrungsaustausch zur Vermehrung seltener Pflanzenarten (24.02.2016)
Ex-situ-Kultivierung & Wiederansiedlung heimischer Wildpflanzen im Oberrheingebiet
Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der im Einzugsgebiet des Hotspots Oberrhein liegenden botanischen Gärten, des (gewerblich) angewandten Naturmanagements sowie interessierte Laien waren der Einladung des NABU Rheinland-Pfalz zum II. Erfahrungsaustausch mit dem Titel „Ex-situ-Kultivierung & Wiederansiedlung heimischer Wildpflanzen im Oberrheingebiet“ am 24. Februar 2016 in die Grüne Schule im Botanischen Garten der Johannes Gutenberg-Universität Mainz gefolgt.
Ziel dieser Veranstaltung waren der Austausch von Erkenntnissen und Informationen zwischen Akteuren sowie die Vernetzung von Kompetenzen und Aktivitäten auf dem Gebiet der Renaturierungsökologie in der Oberrheinregion.
Nach einer kurzen Begrüßung und Dankesworten, sowohl an die Referentinnen und Referenten als auch an den Botanischen Garten für die Bereitstellung der Grünen Schule als Veranstaltungsort, durch Daniela Schaefer-Krolla, die Koordinatorin der Pflanzenvermehrungsstation „Arche Noah für seltene Pflanzen“des NABU Rheinland-Pfalz, folgte eine kurze Vorstellungsrunde der rund 30 Anwesenden.
Den ersten Vortragsblock eröffnete Daniela Schaefer-Krolla, die im Verlauf ihres Vortrags darlegte, welche Pflanzenarten in der vergangenen Saison in der Pflanzenvermehrungsstation des NABU erfolgreich kultiviert wurden und auf welchen Wiederansiedlungsflächen die Auspflanzung von Arten wie Großem Wiesenknopf (Sanguisorba officinalis) und Langblättrigem Ehrenpreis (Veronica longifolia) erfolgte.
Im Anschluss veranschaulichte Dr. Andreas Titze, Leiter des Botanischen Gartens der Universität Marburg, den äußerst komplexen wissenschaftlichen Ansatz der Ex-situ-Kultivierung und Wiederauswilderung heimischer Wildpflanzen am Beispiel der Orchideenart Feld-Kranzenzian (Gentianella campestris) in seiner Einrichtung. Basierend auf seinen Ergebnissen zog er hinsichtlich der Erfolgsaussichten dieser Methode zur Grünlandrenaturierung ein durchaus positives Fazit. Hoffnung machte auch sein Einwurf, dass bei einer ausgewilderten Population von Gentianella campestris eine höhere genetische Diversität als bei der Ursprungspopulation nachgewiesen werden konnte, was die Fähigkeit von (manchen) Pflanzen zur schnellen genetischen Variation nahelegt.
Ralf Kubosch, Büro TK Plan in Siegen, referierte zu Pflege- und Wiederansiedlungsmaßnahmen für die Pfingstnelke (Dianthus gratianopolitanus) in der Nationalparkregion Kellerwald-Edersee vor dem Hintergrund ihrer Situation in Hessen. Da ein Monitoring der betreffenden Populationen der an Reliktstandorten anzutreffenden Pfingstnelke schließen lässt, dass spontane Verjüngung und damit der Erhalt bestehender Populationen über natürliche Aussamung unter heutigen Bedingungen nahezu unmöglich ist, wurden 30 ex-situ-kultivierte Individuen angesiedelt, wovon sich ca. 50% etabliert haben.
Im Anschluss an eine kurze Pause folgte Dr. Ralf Omlor, Kustos des Botanischen Gartens der Universität Mainz, mit einem Update-Vortrag zu den Entwicklungen der Ex-situ-Kulturen im Mainzer Botanischen Garten seit dem I. NABU-Erfahrungsaustausch im Herbst 2014. Mit der Kultivierung der Arten Lungen-Enzian (Gentiana pneumonanthe) und Kreuz-Enzian (Gentiana cruciata), die für die zwei Naturschutzgebiete Lorenzwiese (Rheinland-Pfalz) bzw. Hirschacker (Baden-Württemberg) kultiviert werden, unterstützt der Botanische Garten in seiner Funktion als Projektpartner die Aktivitäten der NABU-Pflanzenvermehrungsstation. Fazit des Referenten: Bei Wieder-ansiedlungsprojekten seien den (finanziellen) Möglichkeiten botanischer Gärten meist Grenzen gesetzt und solche daher nahezu ausschließlich mithilfe externer Partner bzw. Initiativen wie dem Projekt „Lebensader-Oberrhein“ durchführbar.
Uwe Barth, Botanischer Garten der Stadt Frankfurt/Main, stellte die im Rahmen des Gemeinschaftsprojekts „Gefährdete Wildpflanzen, für die Hessen eine besondere Verantwortung trägt“ laufenden Fördermaßnahmen für die zwei Projektarten Sand-Zwerggras (Mibora minima) und Wiesen-Schwertlilie (Iris spuria) vor und wies darauf hin, dass insbesondere die passende Pflege im Nachgang einer der gewichtigsten Erfolgsfaktoren bei der Wiederauswilderung ex-situ-vermehrter Wildpflanzen sei.
Informationen zur praktischen Vorgehensweise bei der gewerblichen Renaturierung von Grünland vermittelte Dr. Axel Schönhofer, Mitarbeiter des Büros Restitutionsökologie Brauner in Worms. Er betonte das Auftreten erfreulicher Synergieeffekte dergestalt, dass durch Bestrebungen zum Erhalt bzw. zur Verbesserung der Habitatbedingungen einer Spezies viele andere Arten indirekt mitprofitieren. Weitgehende Einigkeit herrschte bei der in der anschließenden Diskussion aufkommenden heiklen Frage nach der Kreuzung von (klein)räumlich getrennten Populationen: Da zwar eine Belebung der genetischen Diversität innerhalb der vermischten Population möglich ist, aber andererseits die Gefahr von Fitnessverlusten (Auszuchtdepression) besteht, sollte dieser Weg nicht beschritten werden.
Professorin Dr. Ilona Leyer rundete die Veranstaltung ab mit ihrem Vortrag zum Thema „Habitat und Population: Wichtige Faktoren für die kurzfristige Stützung und langfristige Regeneration der Tieflagenbestände von Arnica montana“. Die Referentin präsentierte aktuelle, größtenteils noch nicht publizierte Untersuchungsergebnisse, die im Rahmen aufwendiger Nutzungsexperimente im Freiland und Labor gewonnen wurden und zum Teil signifikante Zusammenhänge zwischen der Vitalität von Beständen und verschiedenen Boden- sowie weiteren Parametern erkennen lassen.
Die geplante anschließende Diskussionsrunde fiel angesichts des regen Austauschs während und im Anschluss an die einzelnen Vorträge (sowie aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit) knapp und bündig aus. Der Vorschlag von Robert Egeling, im Rahmen einer Führung durch Dr. Andreas Titze gemeinsam den Botanischen Garten der Universität Marburg zu besuchen, wurde positiv aufgenommen. Das Fazit zur Veranstaltung, sowohl der Referentinnen und Referenten als auch der übrigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer, war eindeutig: Bitte wiederholen!