Gegen das Insektensterben am Oberrhein
NABU schafft und erhält Lebensräume für Liebhaber von Sand und altem Holz
Die Insektenvielfalt nimmt seit einigen Jahren deutlich ab, auch in Baden-Württemberg. Besonders gefährdet sind speziell auf einen ganz bestimmten Lebensraum angepasste Wildbienen, Schmetterlinge oder Käfer. Der NABU Baden-Württemberg zeigt in zahlreichen Projekten wie „Lebensader Oberrhein“, dass sich dieser besorgniserregende Trend stoppen lässt. Den jüngsten Beweis dafür entdeckten Mitarbeitende von NABU und Regierungspräsidium Karlsruhe nun bei einer Begehung im Hirschackerwald bei Schwetzingen: Völlig überraschend fanden sie den seltenen Marien-Prachtkäfer, der auf Alt- und Totholz angewiesen ist.
Naturschützer lassen alte, tote Kiefern für seltenen Käfer stehen
„Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis unserer Naturschutzmaßnahmen“, betont Anja Lehmann vom NABU-Institut für Landschaftsökologie und Naturschutz Bühl (ILN). „Im Rahmen des Projektes wurden die Kiefern-Wälder im Hirschacker aufgelichtet. Dabei haben wir an Arten wie den stark gefährdeten Marien-Prachtkäfer gedacht. Bei den Fäll-Arbeiten wurden die Bäume nicht bodennah, sondern in etwa einem Meter Höhe abgesägt. Die Larven des Käfers entwickeln sich drei bis vier Jahre lang in diesen Kiefernstümpfen, die viel Sonne abbekommen“, erklärt Lehmann genauer. Mit 24 bis 33 Millimeter Länge ist der Marien-Prachtkäfer die größte einheimische Prachtkäferart. In Baden-Württemberg ist sein Vorkommen aktuell auf die Rheinebene zwischen Hockenheim und Söllingen beschränkt.
Zurückgekehrte Sandpflanzen sind Lichtblick für spezialisierte Schmetterlinge
Auch die offenen Sandflächen im Hirschackerwald sind für zahlreiche Insektenarten ein Lichtblick. Seit der NABU Baden-Württemberg offene Sandflächen hergestellt hat, wächst die seltene Sandstrohblume auch hier wieder – und lockt das gefährdete Sandstrohblumeneulchen wieder vermehrt in den Hirschacker. Diese hoch spezialisierte Nachtfalterart braucht nämlich die Blüte und den Nektar genau dieser einen Pflanze, wie ihr Name bereits verrät. Ähnlich ist es beim Nachtkerzenschwärmer. Der besonders geschützte Nachtfalter findet dank der Projektmaßnahmen im Hirschacker heute mehr Nahrungspflanzen wie die Nachtkerze.
Mindestens zehn Heuschreckenarten finden hier ebenfalls optimale Bedingungen. Zu ihnen zählt auch die Grüne Strandschrecke, die in Deutschland nur noch in Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg zu finden ist. Die Begradigung des Rheins wurde ihr an vielen Stellen zum Verhängnis, mit den großen Schotterflächen gingen auch ihre Lebensräume oft verloren. Ein echter Spezialist ist auch der gefährdete Dünen-Sandlaufkäfer. Er legt seine Larvenröhren in den sandigen Böden der freigestellten Sandflächen im Hirschacker an. Damit diese sich gut entwickeln, brauchen sie viel Sonne und möglichst wenig andere Pflanzen, die den Boden bedecken.
Gemeinden schaffen Blütenvielfalt für Wildbienen
Die Gemeinden Bischweier und Steinmauern im Kreis Rastatt zeigen, wie sich auch an Straßen oder in Gewerbegebieten etwas gegen das Insektensterben machen lässt. Mitarbeitende des Bauhofs verwandelten seit dem Frühjahr 2017 insgesamt 300 Quadratmeter der kommunalen Grünflächen in artenreiche Blühflächen. Sie wurden dazu im Auftrag von „Lebensader Oberrhein“ geschult. Anschließend pflanzten sie heimische Stauden wie Glockenblume und Labkraut, Margerite und Wiesen-Witwenblume.
„Viele Insekten wie Käfer, Bienen und Schmetterlinge saugen Nektar aus den Blüten, fressen an den Blättern oder nutzen die Beete als Kinderstube“, verrät Michael Hug vom ILN. „Es ist wichtig darauf zu achten, dass man heimische Arten pflanzt oder sät. Viele Zuchtformen blühen zwar oft scheinbar schön, produzieren aber zum Beispiel keinen Nektar. Trotz Blütenmeer finden Insekten dann einfach nur eine Wüste vor.“