Maßarbeit im Hirschacker
Rund eine Woche lang ist im Naturschutzgebiet Hirschacker schweres Gerät im Einsatz – im Namen des Naturschutzes: Auf den vor gut einem Jahr gerodeten Flächen holt ein Bagger Wurzelwerk und Baumstümpfe aus dem Boden. So entstehen optimale Bedingungen für die Entwicklung der einzigartigen Sandlebensräume und ihrer charakteristischen Tier- und Pflanzenwelt. Die Arbeiten finden zwar relativ nah an der Oberfläche statt, weil die Wurzeln nur bis etwa zwei Meter in die Tiefe reichen. Es ist aber nicht auszuschließen, dass noch Kampfmittel im Sandboden liegen. Deshalb werden die Baggerarbeiten von einem erfahrenen Feuerwerker begleitet.
„Das läuft so ab: Ein Raupenbagger mit einem so genannten Rodungsrechen hebt die Baumstümpfe aus dem Boden und transportiert sie vorsichtig an den Wegesrand. Von dort werden sie dann abgeholt“, berichtet Katrin Fritzsch, NABU-Koordinatorin des Projekts „Lebensader Oberrhein“, zu dem auch die Naturschutzmaßnahmen im Hirschackerwald gehören. „Der Feuerwerker geht mit seinem Sondierungsgerät voraus. Wenn er etwas Ungewöhnliches feststellt, werden die Arbeiten gestoppt und er prüft, was Sache ist. Vorsorglich kann der Kampfmittelräumdienst aus Stuttgart hinzugezogen werden.“ Der Feuerwerker hat tatsächlich bereits ein Panzersprenggeschoss entdeckt und den Räumdienst informiert, der es abtransportiert und zur kontrollierten Sprengung nach Stuttgart gebracht hat. Insofern sei es ratsam, bei Spaziergängen auf den großen Wegen zu bleiben und Hunde anzuleinen, um auf Nummer sicher zu gehen.
Fritzsch ist froh, dass sie mit ihrem Team diese Lösung gefunden hat und das ursprünglich für vergangenen Winter geplante „Stubbenziehen“ jetzt doch stattfinden kann: „Unsere Annahme war richtig: Die wertvolle Sandrasennatur hat auch ohne das Entfernen des Wurzelwerks begonnen sich einzustellen. So gab es zum Beispiel eine deutliche Zunahme bei der stark gefährdeten Grauen Skabiose, wir haben Pflanzen wie Sand-Thymian und Sand-Günsel, Sonnenröschen und Salzkraut dokumentiert.“ Sie sind entweder von den angrenzenden wertvollen Flächen eingewandert oder aus Samen ausgekeimt, die jahrelang im Boden geschlummert haben. „Das ist ein sehr spannender Prozess. Aber es liegt auf der Hand, dass sich die natürliche Entwicklung auf freien Sandflächen deutlich schneller vollziehen kann.“
Da die Arbeiten im Naturschutzgebiet stattfinden, sind sie mit der Naturschutzfachbehörde abgesprochen. Baggerfahrer und Feuerwerker wissen um den hohen naturschutzfachlichen Wert der Flächen und gehen mit größtmöglicher Vorsicht ans Werk. Zudem sind gerade die auf den kargen Lebensraum Sand spezialisierten Arten sehr robust. „Wir lassen das bewusst jetzt in der Winterpause machen“, erläutert Fritzsch. „Die Insekten sind nicht aktiv, die Pflanzen haben ihre Samen abgeworfen. So ist die kommende Generation gesichert.“ Der freigelegte Sand bietet im Frühjahr beste Bedingungen für ihr Wachstum. Wildbienen können die offenen Sandflächen nutzen, um Nester zu bauen.