Biodiversitätsbotschafter/-innen engagieren sich

Biodiversitätsbotschafter/-innen engagieren sich

Kalikokrebs im Hotspot (Quelle: NABU/Martin Klatt)
Kalikokrebs im Hotspot (Quelle: NABU/Martin Klatt)

Kaliko-Team im Einsatz gegen invasiven Krebs

Der Kalikokrebs stammt ursprünglich aus den USA. Seine Hei­mat sind die Gewässersysteme um den Mississippi River in Nordamerika. Anfang der 1990er Jahre gelangte dieser bis zu zehn Zentimeter große Flusskrebs in die Gewässer um Sinzheim und Baden-Baden am Rande des Biodiversitäts-Hotspots am Ober­rhein. Vermutlich wurde er dort aus falsch verstandener Tier­liebe aus einem Aquarium in die freie Natur ausgesetzt. Seit­dem breitet sich der Kalikokrebs immer weiter aus. Sein Ver­brei­tungs­gebiet reicht heute von Straßburg im Süden bis Mannheim im Norden. Innerhalb dieses Territoriums besiedelt er fast alle Gewässer bis in die höheren Lagen westlich und östlich des Rheins – mit tödlichen Folgen für die dort lebenden Tiere und Pflanzen.

An der Pädagogischen Hochschule (PH) Karlsruhe beschäftigt sich seit 2014 das 15-köpfige Kalikokrebs-Team des Instituts für Biologie und Schulgartenentwicklung – darunter drei Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Biodiversitätsbotschafter-Ausbildung im Rahmen des Projekts Lebensader Oberrhein – mit Ausbreitung und Lebensweise des Krebses. Drei Team-­Mitglieder (Alexander Herrmann und Robin Wegner, Lehramtsstudenten mit dem Hauptfach Biologie, sowie Adam Schnabler, Masterstudent Biodiversität & Umweltbildung) beantworten Fragen rund um den invasiven Allesfresser.

Wie kommt es, dass sich der Kalikokrebs am Oberrhein offensichtlich wohlfühlt?
Alexander Herrmann (AH): Der Kalikokrebs findet in den Rheinauen die gleichen Lebensbedingungen vor wie in seiner Heimat am Mississippi. Dort besiedelt er warme, sauerstoffarme und pflanzenreiche Gewässer mit lehmigen Grund und geringer Fließgeschwindigkeit – ein Milieu, in dem nur wenige andere Flusskrebsarten überleben würden. Damit hat der Kalikokrebs bei uns seine optimale ökologische Nische gefunden, in der er ohne ernsthafte Bedrohung durch natürliche Feinde binnen weniger Jahre wahre Massenbestände aufbauen konnte.

… und welche Folgen hat das?
AH: Wie alle Flusskrebse ist der Kalikokrebs ein Allesfresser. Sein großes Nahrungsspektrum reicht von Plankton über Wasserpflanzen, Schnecken, Muscheln, wirbellose Kleinlebewesen wie Insektenlarven, kleine Wirbeltiere wie Molch- oder Froschlarven bis hin zu abgestorbenem Pflanzenmaterial. Bei hohen Populationsdichten schafft es der Kalikokrebs, ein Gewässer praktisch leerzufressen und damit vollkommen aus seinem ökologischen Gleichgewicht zu bringen. In Klein­gewässern vernichtet er die Bestände von Amphibien, Libellen und anderen Tierarten nahezu vollständig.

Ist dieser enorme Appetit das einzige Problem?
AH: Nein, der Kalikokrebs bringt gleich eine ganze Reihe von Eigenschaften mit, die ihn zum perfekten Invasor temporärer Auengewässer machen. Er baut tiefe Wohnröhren in lehmigen Uferabschnitten, in denen er nicht nur vor Frost oder Konku­rren­ten geschützt ist, sondern auch monatelanges Trockenfallen des Gewässers überdauern kann. Des Weiteren unter­nimmt der Kalikokrebs in feuchten und milden Nächten gerne Wanderungen, um neue Lebensräume über Land zu er­schlie­ßen. Auf diese Weise hat er am Oberrhein eine Vielzahl isolierter Stillgewässer besiedelt. Hinzu kommt, dass er – wie alle nordamerikanischen Flusskrebsarten – ein latenter Überträger des Krebspesterregers ist. Damit stellt der Kaliko­krebs auch eine Gefahr für die bei uns lebenden heimischen und etablierten Flusskrebsarten dar.

Wie engagiert ihr euch in Sachen Kalikokrebs?
Robin Wegner (RW): Wir haben an der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe ein eigenes Kaliko-Team entwickelt. Es besteht aus Studenten des Lehramts Biologie und des Masters Biodiversität & Umweltbildung sowie den betreuenden Dozenten und Mitarbeitern der Stadt Rhein­stetten. In diesem Rahmen treffen wir uns einmal wöchentlich und planen, besprechen und reflektieren unsere Arbeiten. Unsere Hauptforschungsarbeit verrichten wir an den Gewässern in Rhein­stetten, im Rahmen von Projektarbeiten und Abschlussarbeiten. Allerdings haben sich nun auch schon Projekte ergeben, die weit über diese Grenzen hinaus reichen.

Was untersucht ihr da zum Beispiel?
RW: Wir beschäftigen uns an den Gewässern mit der Ökologie des Krebses, untersuchen seinen Lebenszyklus, seine Habitatansprüche und -auswirkungen und erarbeiten und überprüfen Möglichkeiten zum Management. Auch ein Monitoring wurde bereits in vielen Gewässern des nördlichen Oberrheins durchgeführt, um die aktuelle Verbreitung des Krebses fest­zu­stellen. Je mehr wir über den Kalikokrebs erfahren, umso mehr gibt es für uns zu tun. Aktuell haben wir noch viele neue Forschungshypothesen, die es zu überprüfen gilt.

Wie stehen denn die Chancen, dass der Kalikokrebs wieder verschwindet?
RW: Meiner Ansicht nach gibt es keine Möglichkeit mehr, den Kalikokrebs aus unseren Gewässern vollständig zu entfernen. Es ist nicht zu vermeiden, dass er sich auch weiterhin im Rhein und den umliegenden Gewässern ausbreitet. Was wir noch machen können, ist zu verhindern, dass der Kalikokrebs über Land in andere Gewässer eindringt. Das schaffen wir, indem wir Managementmaßnahmen entwickeln wie etwa Wandersperren. Baumstämme zum Beispiel können Kalikokrebse nicht überwinden, die meisten Amphibien jedoch schon. Bei der Neuanlage von Gewässern ist auf eine möglichst große Ent­fer­nung zu bereits besiedelten Gewässern zu achten. Langfristig müssen wir den Kalikokrebs als neuen Mitbewohner akzep­tieren lernen. Allerdings können wir daran arbeiten, wertvolle Lebensräume vor der Neubesiedelung durch den Kaliko­krebs zu bewahren. Somit sollten wir den Blick weniger auf die Bekämpfung des Kaliko­krebses richten, sondern stärker auf den Schutz unserer wertvollen Gewässerfauna und -flora.

Ihr seid ja auch weit über die Forschung hinaus aktiv, richtig?
RW: Abseits der Forschungsarbeit haben wir schon auf einigen Fortbildungen mit Erwachsenen sowie mit französischen und deutschen Schulklassen Aufklärungsarbeit geleistet. Die Aufklärungsarbeit hinsichtlich der Auswirkungen des Kaliko­krebses auf unsere heimische Flora und Fauna ist uns ein großes Anliegen.

Warum engagiert ihr euch – und warum ist euch dieses Engagement wichtig?
Adam Schnabler (AS): Unsere Forschung am Kalikokrebs ist mehr als reine Wissenschaft und der Drang nach neuen Erkenntnissen. Vielmehr ist es für uns als Biologen und zukünftige Umweltbildner und Biologielehrer eine Herzens­an­ge­le­gen­heit. Der Kalikokrebs bedroht eine Vielzahl heimischer Tier- und Pflanzenarten, zum Teil sogar gefährdete Rote Liste-­Arten wie Laubfrosch, Kammmolch oder die Zierliche Moosjungfer. Wir fühlen uns verpflichtet, unsere heimische Tier- und Pflanzenwelt vor der menschenverursachten Bedrohung durch den Kalikokrebs zu bewahren. Grundlagen­forschung, Entwicklung und Erprobung von Managementmaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit sind für uns wichtige Bausteine auf dem Weg zur Lösung des Kaliko-Problems am Oberrhein.

Einige von euch machen ja parallel die „Lebensader Oberrhein“-Biodiversitätsbotschafter-Ausbildung – profitiert ihr davon in eurem Team?
AS: Zu Beginn meines Masterstudiums war die Oberrheinregion für mich absolutes Neuland. Durch die Lehrgänge und Exkursionen im Rahmen der Biodiversitätsbotschafter-Ausbildung habe ich die ganze Vielfalt an Lebensräumen, ihrer Tier- und Pflanzengemeinschaften sowie ihre erdgeschichtliche Entstehung kennengelernt. Um die Einwirkung des Kaliko­krebses auf die Ökosysteme am Oberrhein zu verstehen, war diese Ausbildung für mich von großer Bedeutung.

Profitieren im Gegenzug auch eure „Mit-Azubis“ von dem, was ihr im Kaliko-Team herausfindet?  
AS: Ja, wir konnten erst kürzlich bei einer Kalikokrebs-Exkursion die zukünftigen „Biodiversitätsbotschafter“ auf die Kalikokrebs-Problematik aufmerksam machen und ihnen wichtige Handlungsmöglichkeiten für ihre spätere Arbeit als Multiplikatoren im Naturschutz an die Hand geben. Damit ist uns ein großer Schritt in der Öffentlichkeitsarbeit gelungen.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

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